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Fluxus-Objekte, speziell die erwähnten Sammelkästen bei George Brecht, knüpfen die Kästen von Pina Delvaux an, in denen sie die sentimentale Geschichte von alten Fotos, Briefumschlägen, Stoffen, Strickwaren und anderen Fundstücken dokumentiert. Andere aktuelle künstlerische Konzepte zielen auf eine Erweiterung bzw. Ausdehnung ins Objekthafte oder in den Raum: Guda Koster inszeniert Installationen mit Schneiderpuppen oder im Raum frei hängenden Textilobjekten. Barbara Thaden nimmt reale Kleider, die sie vollkommen zunäht, wodurch sich de Form verändert. Das Kleid wird zum Kunstwerk, d.h. zum Objektträger für Bilder, Postkarten, Perlen etc. Carola Willbrand arbeitet schon seit Anfang der 1980er Jahre mit Vernähungen bzw. mit Verbindungen im weitesten Sinne. Sie transformiert alltägliche Materialien wie Tapeten oder Teppiche zu Büchern und Skulpturen. Es entstehen puppenhafte Objekte, und oft arbeitet sie auch mit getragenen Kleidungsstücken. Im „Eckernförder Bestiarium“ (2004) porträtierte sie Personen unter Verwendung von deren eigener Kleidung. Daraus formte sie Tierporträts.

II.

Im Unterschied zur Schnur oder zum Seil ist der einzelne Faden relativ dünn, als Nähgarn sehr dünn sogar, was wiederum zu einer ziemlich eingeschränkten Reißfestigkeit führt: Die Redewendung, es hinge etwas „am seidenen Faden“ besagt, die Schwerkraft, die das Objekt nach unten zieht, sei so stark, dass der dünne Seidenfaden jeden Moment zu reißen droht. Eine Festigkeit garantiert der Faden erst dann, wenn er verwoben wird, d.h. wenn sich sein Verlauf zu einem Gewebe im wahrsten Wortsinn verdichtet oder wenn man ihn verknotet bzw. im Gewebe vernäht. Dann verlieren sich alle diese fragil anmutenden stofflichen Eigenschaften, die sonst seine Dünnheit ausmachen. Ein dichtes Faden- oder Wollknäuel ist sogar ziemlich kompakt und undurchsichtig. Die Vokabel „Knäuel“ heißt in der rheinischen Mundart „Klüngel“, und damit meint man ein für den Außenstehenden undurchsichtiges (und oftmals auch unbegreifliches) verwobenes Gemauschel. In der Kultur- und Zivilisationsgeschichte der Menschheit traten neben dem Schnitzen von Holz, dem Behauen von Stein und dem Formen

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