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Ausweitung des Materialfundus erweiterten sich nach 1960 ebenso die künstlerischen Techniken. Die Kunst war nicht mehr ausschließlich produktorientiert, d.h. es stand nicht mehr ausschließlich das Endergebnis das bildnerischen Schaffens im Mittelpunkt, sondern in einem prozesskünstlerischen Sinne wurde nun das Machen, das Agieren zum eigentlichen Thema – erst recht in der Aktionskunst mit Happenings und Performances. Damit bekam der Prozess Herstellung nun einen ästhetisch-auratischen Eigenwert zugewiesen, den man zuvor nur dem fertigen Bild attestiert hatte. Wenn z.B. Annegret Soltau Porträtfotos vernäht und der Faden dabei so deutlich sichtbar bleibt, dass der Betrachter eine Gewaltausübung gegenüber dem Körper und kaum verheilte Verletzlichkeit assoziiert, oder wenn Susanne Waltermann bei ihren Papierobjekten durch Übernähungen ein dynamisch anmutendes Fadengeflecht formt, das ebenso an Schmerzhaftes und Narbiges gemahnt, dann wird betont, wie das Werk gemacht wurde, während die Maler früher um ihre Rezepturen gerne ein Geheimnis woben. Gudrun Klebeck bewegt sich von der Malerei in Richtung Montage, wenn sie collagehaft mittels Vernähen und

Wiederaufspannen textile Fotodrucke in monochrome Farbflächen einfügt. Auch Günter Schuster bedient sich der Montagetechnik, wenn er Postsäcke, Lastwagenplanen oder Markisen als Ausgangsmaterial nimmt und in konstruktivistischer Manier andersfarbige winklige Flächen einfügt, wobei die typografischen Elemente im Bild einen poetischen Eigenwert haben. Andreas My begreift den Faden als zeichnerisches Medium. In der Skulptur verklebt Polyesterfäden als eine Art Konstruktionszeichnung; in anderen Arbeiten vernäht er Rosenblätter mit Baumwolle. Itie Langeland stieß auf Stoffe als Bildträger, als sie für ihre Fotografie nach „sanfteren Trägermaterialien“ als Papier oder Malleinwand suchte. Der Einsatz von Stickerei ist für sie Mittel zur Verstärkung bzw. Veränderung der Fotografie und hat für sie den gleichen Stellenwert wie für den Maler die Farbe. Timothy Agnew verleiht bei der Aufreihung von bunten Flicken mit leicht ausgefransten Rändern und dem anschließenden Wachsüberzug seinen Objekten ebenfalls eine optische Wirkung, die auf der spezifischen werkstofflichen Behandlung beruht. An die eben beschriebene kunsthistorische Traditionslinie der

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