Notizen zu einem Ausstellungsprojekt
Jürgen Raap
I.
Die Künstlerin Annegret Soltau inszenierte Performances,
bei denen sie die Aktionsteilnehmer mit Bindfäden verschnürte,
um auf diese Weise „Verbindungen“ zu verdeutlichen:
Ein Faden verbindet, er hält etwas zusammen, er
dient der Befestigung. Solch ein Faden ist ein handwerklichtechnisches
Mittel zum Zweck, d.h. er ist ein Medium, und
für sich selbst genommen noch kein ästhetisches Objekt. In
der klassischen Kunst wurden daher der Faden selbst oder die
Materialität des Garnes auch nicht thematisiert. Der Faden
bzw. das Fadengeflecht ist hier der Bildträger, aber nicht
semiotisches Bildzeichen.
Das änderte sich erst mit der Materialkunst der 1960er Jahre,
d.h. mit den Künstlern der italienischen Arte povera und den
Vertretern der Fluxus-Bewegung mit ihren neo-dadaistischen
Materialcollagen. Und natürlich mit den Filzobjekten von
Joseph Beuys, bei denen Filz als Wärmeleiter, mithin als
energetisches Material
ähnlich wie Fett zur Illustration eines
„erweiterten Skulpturbegriffs“ diente, bei dem die Veränderung
von Aggregatzuständen
und der Energieaustausch ein
wesentliches Vehikel ist.
Robert Rauschenbergs Combine Painting der 1950er Jahre
hatte eine Assemblagekunst vorbereitet, deren Vertreter
alsdann in den 1960er Jahren das materielle Eigenschaftspotential
von Werkstoffen ausloteten, die in der Kunst damals
noch völlig unverbraucht waren. Eincollagiertes Sackleinen,
Filz und andere Stoffe boten aus der Sicht der Künstler andere
Reizmöglichkeiten als die traditionelle Leinwand. George
Brecht z.B. bestückte alte Setzkästen aus der Druckerei mit
Fundstücken aus dem Alltag, und ich glaube mich daran zu
erinnern, um 1980 bei einem Besuch in Brechts Wohnung in
Köln-Sülz auch Nähgarnrollen in diesem Konvolut gesehen
zu haben. Bei solchen Objekten ist es vor allem der alltägliche
Charakter des Materials, den die Künstler als ästhetisch
gleichwertig ansehen gegenüber den traditionellen „edlen“
Werkstoffen wie Marmor, Gold, Brokat oder Edelkristall, die
bis dato in der Bildhauerei und im Kunsthandwerk Anwendung
fanden.Mit einer solchen