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setze Claes Oldenburg mit Hilfe seiner damaligen Frau, die seine erste „Soft-Sculpture“ nähte, im Jahr 1962. Gleichzeitig surreal und poppig brachten in den folgenden Jahren seine riesigen Lichtschalter, Badewannen und Münztelefone oder ein gigantisches Eis am Stil die Vorzüge von Vinyl und Kunstpelz zur Geltung. Eva Hesse entwickelte fragile Objekte aus Fäden und Schnüren, die in Latex getränkt und dann aufgehängt wurden und ein räumliches Zwischenreich markierten. In dieser Zeit entwickelte sich die bildende Kunst weiter in die Dreidimensionalität, hin zu Environments, die betreten und für Happenings genutzt werden konnten. Für wenig Geld war es möglich, aus textilem Material transportable und variable Kunst-Räume zu schaffen. Christo trieb ihre Ausdehnung mit Hilfe riesiger Stoffbahnen voran, die er über Küsten, um Inseln und durch Täler spannte. Durch die Technik des Verhüllens in glänzende Stoffe verwandelte er monumentale Bauwerke in poetische Skulpturen. Schweres wird leicht, Leichtes wird schwer. Geprägt durch Kriegserlebnisse verwendete der gelernte Mediziner Alberto Burri, der im Zweiten Weltkrieg Verletzte und Sterbende behandelt hatte, für seine Materialcollagen

Sack- und Jutefetzen, die er mit Farbe und rostigen Nägeln kombinierte. Auch für die archaische Ästhetik der Arbeiten von Hermann Nitsch und Joseph Beuys spielen Stoffe, seien es blutgetränkte textile Hemden als Dokumente ritueller Kunstprozessionen oder mythologisch aufgeladene Filzrollen als Teil eines in die Kunst transformierten Leidensweges, eine bedeutende Rolle. Kleider und Kleidungsstücke treten in der Kunst auf als Stellvertreter und Spuren des Körpers, bezeugen die Existenz ihrer Träger. Lumpen verweisen entsprechend zeitverzögert auf die Vergänglichkeit des Materials wie des Menschen. Kleider und Stoffe, denen die Spuren des realen Gebrauchs und der sozialen Praxis noch anhaften, geraten in die Nähe von Reliquien, die als Überreste in neuem Kontext etwas Vergangenes bezeugen. Entsprechend speist sich beispielsweise die Wirkung derjenigen Arbeiten Christian Boltanskis, die Kleidungsstücke zeigen, aus dem Verlust, aus der Abwesenheit derer, die diese tragen könnten. Um 1960 betrat eine gesellschaftliche Gruppierung die Bühnen der Kunstwelt, die eine Fülle an textilen Traditionen mitbrachte – die Frauen. Feministisch orientierte Künstlerinnen entdeckten

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