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Assemblagen fanden Textilien Verwendung, das Prinzip Zufall ergänzte oder ersetzte die Gesetze der Komposition. Auch zur künstlerischen Erforschung des Unbewussten eignet sich textiles Material vorzüglich. So schätzten die Surrealisten die geheimnisvolle Wirkung des Vorhangs, der den Blick auf die andere Wirklichkeit verhindert oder ermöglicht. Mit der Aufwertung der „primitiven Kunst“, also der ursprünglichen, von anderen Kulturen unbeeinflussten Kunst der Ureinwohner Afrikas, Ozeaniens und Amerikas durch die Künstler um Picasso sowie der künstlerischen Produktion von Geisteskranken und Außenseitern durch Jean Dubuffet gelangten weitere Einflüsse in den Kunstkontext, für die der Gebrauch textiler Materialien, seien es Fasern oder Federn, Wolle oder Stoffe, charakteristisch ist. Textilien schlagen die Brücke ins Reich des Unbewussten wie in Vergangenheit und Zukunft, erinnern als Teil magischer Objekte an die Verbindung zu Ahnen und Geistern. In den 1950er-Jahren veränderten sich erneut die Definitionen von Malerei und Skulptur. Horizontale und Vertikale verloren ebenso an Bedeutung wie die aufgespannte Leinwand. Pollock nutzte Farbe und auf dem Boden ausgebreitet Leinwand

zur Herstellung von Bildern, die ebenso Gemälde wie Dokumente des künstlerischen Prozesses ihrer Entstehung sind. Die Farbfeldmaler nahmen nicht präparierte Leinwand, um Farbe und Licht zur Geltung zu bringen, und der Amerikaner Sam Gillian nutzte schließlich riesige Bahnen unbehandelten Leinens, das er bemalte und locker im Raum drapierte. Weitere Variationen eines befreiten Umgangs mit der Leinwand schufen Lucio Fontana und Sigmar Polke. Ersterer untersuchte in seinen Arbeiten mit zerschlitzten und durchlöcherten Leinwänden die skulpturalen Möglichkeiten der Malerei, Sigmar Polke hingegen verwendete alltägliche und trashige Textilien anstelle der Leinwand. Materialien stecke. Er stellte mit Textilien wie einem gebrauchten Quilt oder schmutziger Arbeitskleidung Verbindungen her zwischen Dingen, die bislang nichts miteinander zu tun hatten, die vielfältige Assoziationen und Erinnerungen provozieren und mit Bedeutungsebenen spielen. Andere Arbeiten setzen auf die fließende Natur von Stoff, nutzen Schatten- und Faltenwurf, Licht und Gewicht des Gewebes − der Stoff ist gleichzeitig Material und Medium der Kunst. Einen weiteren Meilenstein im Spektrum skulpturaler Materialien

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